die abenteuer des joel spazierer, michael köhlmeier, britta behrendt, interview lounge, kerstin carlstedt, hanserMit jemandem sprechen, der die Lüge zur Kunstform erhoben hat und seine Romanfiguren sagen lässt, „dass es bei der Beantwortung einer Frage nicht darauf ankommt, die Wahrheit zu sagen, als viel mehr, den Frager in Erstaunen zu versetzen, indem man genau das sagt, was er hören will“, ist eine Herausforderung. Michael Köhlmeier macht in seinem neuesten Roman „Die Abenteuer des Joel Spazierer“ einen Lügner und Mörder zum Helden. Ganz nebenbei passieren dunkle und weniger dunkle Kapitel der jüngsten europäischen Geschichte Revue, der Ungarnaufstand, der kalte Krieg oder die Hippies in Wien und spiegeln in gewisser Weise Köhlmeiers monumentalen Roman „Abendland“. Oder setzt er ihn vielleicht fort? Immerhin taucht Sebastian Lukasser aus „Abendland“ als treuer Freund des Joel Spazierer wieder auf. Über das Eigenleben erfundener Romanfiguren sprach Michael Köhlmeier mit Britta Behrendt in Den Haag.

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Verlagstext: „Ich besaß nie den Ehrgeiz, ein guter Mensch zu werden.“ Joel Spazierer, geboren 1949 in Budapest, wächst bei seinen Großeltern auf und ist vier Jahre alt, als sie von Stalins Schergen abgeholt werden. Fünf Tage und vier Nächte verbringt er allein in der Wohnung und lernt eine Welt ohne Menschen kennen. Es fehlt ihm an nichts, er ist zufrieden. Eher zufällig findet ihn seine Mutter, die noch Studentin ist. Joel Spazierer lernt nie, was gut und was böse ist. Sein Aussehen, sein Charme, seine Freundlichkeit öffnen ihm jedes Herz. Er lügt, stiehlt und mordet, ändert seinen Namen und seine Identität und betreibt seine kriminelle Karriere in vielen europäischen Ländern. Die Geschichte, die er uns ganz unschuldig erzählt, ist ein Schelmenroman über die Nachtseiten unserer Gesellschaft wie es noch keinen gab.

Lesung von Michael Köhlmeier

Buchtipp von Michael Köhlmeier: „Die Straße“ von Cormac McCarthy (Übersetzung: Nikolaus Stingl)

Michael Köhlmeier: Die Abenteuer des Joel Spazierer. Hanser 2013. 656 Seiten. 24,90 Euro.

Rezension bei „CULTurMag