So viel Charme und Glamour finden wir auf deutschen Buchmessen nicht alle Tage: Mit Hélène Grémillon wehte uns in Leipzig ein Hauch der Weltmetropole Paris an. Wir wollen und können zwar nicht mit den großen Modezeitschriften mithalten, aber zu erwähnen sei das umwerfende, tiefdekolletierte „bleu“-farbene Kleid, in dem die Autorin ihre Aufwartung machte. Exklusiv von Freunden für diesen Anlass angefertigt. Das anschließende Gespräch fand – mit Dolmetscher – in drei verschiedenen Sprachen statt und enthüllte überraschende Details zum Schaffensprozess von „Das geheime Prinzip der Liebe“, Gremillons erstem Roman. Nur nach Ehemann und Chanson-Legende Julian Clerk haben wir nicht gefragt. Das wollen wir lieber den großen Modezeitschriften überlassen.

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Verlagstext: Eine bedingungslose Liebe, die sich in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verliert. Eine junge Malerin, die für ihre Gönnerin ein Kind bekommt. Eine Frauenfreundschaft, die in Hass umschlägt. Hélène Grémillons Debüt ist in Frankreich ein Bestseller und erscheint in mehr als zwanzig Ländern. Paris, 1975. Camilles Mutter ist bei einem Autounfall gestorben. Unter den Beileidsschreiben findet Camille einen rätselhaften Brief von einem Unbekannten, der die Geschichte einer jungen Frau erzählt: von Annie, der großen Liebe des Verfassers. Camille glaubt an eine Verwechslung, doch in den nächsten Tagen kommen weitere Briefe. Sie erzählen von der jungen Malerin Annie und ihrer wohlhabenden Gönnerin, die seit langem vergeblich versucht, schwanger zu werden. Aus Dankbarkeit erklärt sich Annie bereit, ein Kind für sie zu empfangen und zur Welt zu bringen. Doch was gut gemeint war, wird bald zur Quelle von Eifersucht, Misstrauen und Hass, und irgendwann ist Annie spurlos verschwunden … Camille begreift allmählich, dass diese Geschichte aus den Briefen weit mehr mit ihr zu tun hat, als ihr lieb ist.

Buchtipp von Hélène Grémillon: „Ich. Darf. Nicht. Schlafen“ von S.J. Watson (Scherz)

Hélène Grémillon: Das geheime Prinzip der Liebe. Hoffmann und Campe 2012. 356 Seiten. 19,99 Euro.

 

Worum geht‘s in Ihrem Roman „Das geheime Prinzip der Liebe“?

Mit „Das geheime Prinzip der Liebe“, auf Französisch heißt der Roman übrigens „Der Vertraute“, habe ich versucht, eine komplexe Geschichte zu erzählen. Ich möchte nicht zu viel verraten, denn es würde das Interesse des Lesers beeinträchtigen. Ich habe bei dieser Geschichte ganz auf Spannung gesetzt. „Das geheime Prinzip der Liebe“ ist eine Geschichte von einer Frau, die jeden Dienstag einen anonymen Brief bekommt. In diesen Briefen wird ein Geheimnis enthüllt.

Warum haben Sie sich für diese Form entschieden und Ihren Roman in Briefen erzählt?

Ich habe nach einer Form gesucht, in der ich ein Geheimnis nach und nach enthüllen kann. Daher habe ich mich für die Briefform entschieden. Die Geschichte in Briefen zu erzählen, erschien mir die beste Form zu sein, zu erreichen, dass sich für den Leser die Geschichte erst nach einer gewissen Zeit erschließt, weil ich dieses Geheimnis im Lauf der Handlung enthülle.

Das Thema ist nicht nur Liebe, sondern auch Täuschung und Enttäuschung. Ist ein Leben ohne Täuschung besser, weil dann auch keine Enttäuschung möglich ist – oder wäre das fade, weil wir uns doch zu gern verführen lassen? 

Das ist die Frage: Hätte Camille eigentlich lieber mit der Illusion weitergelebt, mit dem, was sie dachte, dass es ihr Leben sei oder akzeptiert sie die Wahrheit, wie sie ist? Die Wahrheit ist manchmal schrecklich und tragisch. Das heißt aber nicht, dass ich die Lüge gutheiße. Ich habe dieses Buch als einen Aufruf gegen die Lüge geschrieben. Um zu zeigen, wie tragisch ein Leben in Illusion, wie traurig ein Leben in Lüge sein kann. Aber ein Leben im Wissen um die Wahrheit kann genauso tragisch sein.

Ich denke, wenn Männerfreundschaften zerbrechen, steht weniger dieser Antrieb, den anderen seelisch verletzten zu wollen, im Vordergrund. Sind Frauenfreundschaften anders als Männerfreundschaften, weil sie symbiotischer sind?

Die Freundschaft zwischen zwei Frauen ist oft so, dass, wenn es zu einem Bruch kommt, dieser besonders schmerzhaft ist. Ich denke, dass Frauen für Freundinnen eher bereit sind, große Opfer auf sich zu nehmen. Männer sind Freunde, aber sie erwarten nicht so viel voneinander wie Frauen. Diese Freundschaftsdienste von Frauen interessierten mich. Diesen speziellen Freundschaftsdienst hätte die Eine von der Anderen besser nicht einfordern sollen. Es ist natürlich besser, Freunde zu sein ohne irgendwelche Freundschaftbeweise zu erwarten. Sonst können schwierige und delikate Situationen entstehen.

Haben Sie viel recherchiert, um die Geschichte, die in einer Zeit weit vor Ihrer Geburt spielt, so glaubwürdig beschreiben zu können?

Ich habe mich in Recherchen verloren. Erst einmal musste ich die richtigen Bücher finden. Dann suchte ich nach Elementen, die noch nicht so bekannt sind. Es geht um eine Zeit, die schon durch und durch erforscht ist – die Jahre zwischen 1938 und 1942. Die noch unbekannten Details dabei waren die, die mich interessiert haben. Diese Zeit finde ich deswegen so wichtig für meine Geschichte, weil sie eine Dramatik beinhaltet, die wir heute so nicht mehr haben. Ich hatte keine Lust, eine  Geschichte zu schreiben, die im Hier und Jetzt spielt, weil ich nicht über die Gegenwart arbeiten mag: Erzählerisch mag ich nicht, womit wir uns tagtäglich umgeben. Ich mag nicht die Idee von Mobiltelefonen oder E-Mails in einer Geschichte. Ich mag historische Zusammenhänge und die Möglichkeit, über Sachen zu schreiben, die wir noch nicht so genau kennen.

Was wollen Sie mit Ihrem Buch erreichen?

Am allersten Tag, als ich dieses Buch schrieb, habe ich mir gesagt, dass ich dieses Projekt schaffen werde – und ich habe mir dabei drei Sachen gewünscht: Ich wollte eine Geschichte schreiben, eine fiktive Geschichte, die gar nichts mit meinem Leben zu tun hat. Ich wollte diese Geschichte in einen präzisen historischen Kontext setzen, wollte, dass der Leser der Realität durch die Fiktion entfliehen kann und Neues über die damalige Zeit dazulernt. Und ich wollte eine spannende Geschichte erzählen.

Sie haben als Drehbuchautorin gearbeitet und nun einen Roman geschrieben. Was liegt Ihnen mehr?

Ich war sehr glücklich, einmal etwas anderes machen und mich allein um eine ganze Geschichte kümmern zu können: die Charaktere, ihre Schwächen, ihre Qualitäten und ihre Welt auszuwählen und zu erschaffen. Es ist nicht das Gleiche, einfach eine Handlung vorgegeben zu bekommen und eine Szene zu erarbeiten. Es ist nicht die gleiche Arbeit. Der größte Unterschied zwischen Drehbuchschreiben und dem Schreiben von Belletristik ist, wenn ich an einem Drehbuch arbeite, dann mach ich das gemeinsam mit einem Team. Wenn man aber einen Roman schreibt, ist man schrecklich allein.

Eine letzte Frage: Haben Sie einen Buchtipp?

Ich habe einen wunderbaren Krimi gelesen, der „Before I Go To Sleep“ („Ich. Darf. Nicht. Schlafen“ – Anmerkung der Redaktion) heißt – und ich meine, dessen Autor SJ Watson ist. Ich weiß, er wurde auch auf Deutsch übersetzt, denn wir haben mit meinem Agenten darüber gesprochen. Es ist ein Krimi, sehr gut geschrieben, der einen nicht mehr loslässt.

(Übersetzung: Aurélie Barennes)